Maria Luisa Caffarelli
Die Malerei des Künstlers Paolo Rossetto erwächst aus einer sichtbaren und einer träumerischen Atmosphäre und entwickelt
sich als eine Erkundung des Traumes, die von den möglichen Verbindungen der Naturelemente emporgehoben wird: menschlich und pflanzlich,
Wasser, Luft, Erde und Feuer.
Natur und Farbe bilden das Szenario der häufigen Verwandlungen, die in ihren verschiedenen Entstehungsmomenten festgehalten sind.
In seinen Gemälden finden wir faszienierende Frauen von denen wir den Sinn der Verӓnderung oftmals nicht entziffern können:
von Frau zu Baum oder von Baum zu Frau?
Die Vorherrschaft des Weiblichen in einem geheimnisvollen Körper, der durchscheinend oder lebendig sein kann,
wird in einem pflanzlichen Verwandlungsprozess dargestellt.
Die Glieder oder der Rumpf erwachsen aus einem Stamm oder enden darin. Sie zweigen und verzweigen sich sobald sie mit dem
Boden Kontakt aufnehmen. Oder sie bleiben kontaklos, bodenlos, zeitlos.
Diese Frauen werden zu geheimnisvollen Kreaturen lebendige, wahrhaftige und zeitgenössische Vestalinnen zwischen Traum und Phantasie.
Die Gemälde von Paolo Rossetto leben den Zeitgeist nicht als Aktualität sondern als unveränderliche Zeit, in der die Verwandlungen
und das Trugbild der sich dauernd veränderbaren Formen den Menschen mit der Natur verbindet.
Die Natur wird als brodelndes Archiv der vergangenen Ereignisse verstanden. Sie lässt uns die Anwesenheit einer mythischen Kreatur
in einem Baum, einer Frucht, einem Stein spüren.
Durch geometrische Einlagen wird das "Hier und Jetzt" aufgezeigt. Durch die Gestaltung der Gesichter wird die Aufnamhe des
Gegenwärtigen zu einem sich auszeichnenden Element.
Seine Phantasie ist manchmal leicht und flüchtig wie ein Traum, manchmal leiblich und sinnlich. Sie erweckt Bilder üppiger
Pracht sowie Bilder, die in eine Märchenlandschaft eintauchen. Diese plastische Kunst zögert beim Verbildlichen der Verwandlungen,
die der Künstler sellbst verwundert betrachtet. Er gibt allem noch einem provvisorischen Charakter, da sich alles, was unsere Sinne
erfassen, ständig verändert, es zersetzt sich plötzlich um sich neu wieder zusammenzufügen.
Von der Verwandlung hebt Rossetto die Unvermutbarkeit aber noch mehr die Langsamkeit hervor und in ihr das oft schmerzwolle
Verbleiben der alten in der neuen Naturform.
Vom Menschen, der sich in etwas Anderes verwandelt verspürt er den innersten Schmerz, das Bewusstsein des Anderswerden in einer
Umwandlung, die, so scheint es, selbst die Wurzeln des Universums mitreiβt.
Die Natur erscheint durchdrungen von den vielen "Liebes- und Schmerzkreaturen", die sie in ihrem Schoβe verbirgt.
Und hier zeigt Rossettos Welt unerwartete Ausmaβe: das flimmernde Spiel der Oberflächen begleitet in einzigartiger Symbiose
die unruhigen Kreaturen. Diese Leben in einer Natur, die vom Menschen verraten, verletzt, geschändet, ausgelöscht und zerstört wurde.
Im Namen spekulativen Interessen wurde diese Natur " unnatürlich" und sie riskiert sich mit sich sellbst anzufeinden.
Es scheint, dass diese Kreaturen in ihren Verwandlungen den einzigen Ausweg aus einer unmöglichen Situation, aus einer absurden
Leidenschaft finden.
Im Ergebnis ihrer Umwandlung finden sie Befreiung aus einer ihnen unerträglich gewordenen Wirklichtkeit.
Mir fallen dabei die " Methamorphosen" des Ovid ein, die allen anderen Umwandlungsphantasie zu Grunde liegen:
Dante, D’Annunzio mit seiner Alcyone, die fast zur Pflanze unter vielen wird. Ich erinnere an die Surrealisten Magritte und Delvaux,
von denen sich Rossetto auf der bildlichen Ebene inspirieren lässt. Vom Surrealismus bleibt der geheimnisvolle Widerspruch zwischen der
vorherrschenden, alles umfassenden Phantasie und dem darstellenden Realismus, sowie die Beherrschung einer Technik ohne Zwang der Deutung.
Die Gemälde des Künstlers entstammen auch aus biblischen Themenkreisen ( "Von der Sünde" "Adam und Eva" ) aber das pflanzliche Element
kommt auch darin vor und deutet auf den Einklang, der sich wählerisch und unauslöschlich zwischen der Natur und ihren Formen vollzieht.